Teddy


Als Kind hatte ich einen Teddy. Nein, es stimmt nicht, ich habe einen Teddy, auch heute noch, es gibt ihn noch. Mein Teddy ist ein kleiner Franzose und er kam Weihnachten 1964 zu mir.

Im Sommer zuvor war ich mit Mama und Papa in Frankreich in Urlaub gewesen. Mein Vater hatte dort in einer Porzelanfabrik einen neuen Ofen gebaut, natürlich nicht alleine. Vielleicht war mein Papa so wie ich und kam gerne dahin zurück, wo er gut aufgenommen wurde.

St. Genou heißt der Ort, den es natürlich noch gibt und er liegt am Indre, im Departement Indre (Departements sind in Frankreich meistens nach Flüssen benannt, seit der französischen Revolution), vor der Revolution lag St. Genou im Berry.

Als Kinder haben wir uns immer wieder gerne mit Mama die Fotoalben durchgesehen und uns Geschichten von Früher erzählen lassen, so blieb auch St. Genou immer in der Familienerinnerung. Und immer lachten wir über das Bild im Zelt, auf dem ich, damals einjährig, solange mit dem Stöpsel der Luftmatraze spielte bis es zischte. Zum Ärger meiner Eltern habe ich das auch Nachts gemacht.

Sonntags besuchten wir die Messe in der kleinen Kirche des Ortes, und dadurch das mein Vater schon öfter dagewesen war, entstand auch eine Freundschaft zwischen dem Abbe Jacquet und meinen Eltern. Es können eben auch Freundschaften entstehen, wenn keiner die Sprache des Anderen spricht. Etliche Briefe gibt es noch aus dieser Zeit, bis weit in die 70er Jahre, als Abbe Jacqet starb.

Weihnachten 1964 kam an der hiesigen Post auf dem Lande noch ein Paket an, leider zur spät für die Auslieferung. Der mitdenkende Postbeamte der Poststelle, heute auch schon weit über die 70, rief allerdings noch bei meiner Großtante an und sagte Bescheid, weil es sich ja noch um ein Weihnachtsgeschenk handeln könnte. Wir wohnten damals in einer Oberwohnung meiner Großtante und hatten selbst gar kein Telefon. So war das damals.

Meine Mutter wunderte sich zwar, stieg aber trotzdem auf ihr Fahrrad und fuhr noch zur Post, um zu sehen, was dort angekommen ist. Es war ein Paket von Abbe Jacquet und in diesem schickte er mir den kleinen Teddy: J'ai envoyez a votre fils Andreas,... Ich habe Deinem Sohn Andreas zu Weihnachten ein Spielzeug geschickt, das ihm Freude bereiten wird. Die Kinder lieben die Bären sehr, sie machen sie zu ihren Spielgefährten. Hier habe ich einen kleinen Jungen, der nicht ohne seinen Bären einschlafen kann, und das Kind ist schon mehr als 10 Jahre alt ...deja plus de 10 ans.

Was soll ich sagen, es kam genau wie der Abbe es geschrieben hatte, auch ich machte ihn zu meinem Spielgefährten, und ich schlief noch als 15 Jähriger mit meinem Teddy im Arm ein.

Heute hat er seinen Platz auf der Ablage über meinem Bett und manchmal nehme ich ihn herunter, halte ihn in meinen Armen und flüstere leise: "Na Kleiner, was haben wir schon alles zusammen erlebt." Er ist mir treu geblieben, andere sind gegangen. Es ist etwas wunderbares, seinen Teddy noch zu haben. Ich versprach ihm übrigens, daß wir beide bald mal zurück an den Indre fahren.

Vor einigen Jahren lernte ich eine wunderbare Frau in Stuttgart kennen und wenn wir abends in den Armen lagen, dann erzählten wir aus unserem Leben und sie bat mich meinem Teddy einmal mitzubringen. Ich habe bis dahin nie einen Menschen kennengelernt, der sich für meinen Spielkameraden interessierte. Ich brachte ihn mit, und lies ihn dort. Nie hätte ich ihn vorher irgendwo alleine gelassen. Auch wenn man als Erwachsener eine andere Beziehung zu seinem Teddy bekommen mag, als ein Kind, so habe und hätte ihn nie alleine gelassen. Doch hier hatte ich ein gutes Gefühl, hier wußte ich ihn gut aufgehoben.

Auch wenn die Beziehung zu dieser Frau keinen Bestand hatte und wir unter Tränen auseinander gegangen sind, hat sie sich trotzdem seiner angenommen, hat sämtliche Schaumstoffwürfel der 60 Jahre aus ihm heraus genommen (sie lösten sich bereits auf), ihn vorsichtig gewaschen und ihn mit Schafwolle gefüllt. Nun ist er wieder bei mir und hat seinen Platz wieder auf der Ablage über meinem Bett.

Es ist eine besondere Geschichte, die mit meinem Teddy und es geschehen wundersame Dinge um ihn herum, Menschen werden dabei menschlich. Ich liebe meinen Teddy und ich hoffe er bleibt bis zum Schluß bei mir. Aber was wird aus ihm, wenn er mich überlebt...




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16. April 2010
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